7 Beispiele, die zeigen, dass Markus Söder nicht nur Kanzler kann…

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8 min readApr 5, 2021

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…sondern auch Skandal.

Aktuell steht vor allem CDU-Chef Armin Laschet aus diversen Gründen in der Kritik. Aber auch gegen den voraussichtlichen Kanzlerkandidaten der Union gab und gibt es immer wieder Vorwürfe. Und zwar nicht nur wegen seiner Corona-Politik und den CSU-Korruptionsskandalen. Eine Auswahl.

Vorab zur zeitlichen Einordnung die wichtigsten Stationen Söders:

2003 – 2007: CSU-Generalsekretär

2007 – 2008: Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten in der Bayerischen Staatskanzlei

2008 – 2011: Bayerischer Staatsminister für Umwelt und Gesundheit

2011 – 2013: Bayerischer Staatsminister der Finanzen

2013 – 2018: Bayerischer Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat

Seit 2018: Ministerpräsident von Bayern, seit 2019: CSU-Vorsitzender

1. Immobiliengeschäft

Als Finanzminister soll Söder 2018 in Bayern „mit Hilfe des dortigen Bauministeriums mit dem Kauf eines überteuerten Grundstücks gegen die bayerische Haushaltsordnung verstoßen haben“. Das schrieb der rbb im Februar. Dem Obersten Rechnungshof (ORH) des Landes zufolge war er damit „maßgeblich dafür verantwortlich, dass Bayern für ein Nürnberger Grundstück doppelt so viel zahlte, wie es wert war“, so der Sender weiter. Er hatte bereits 2019 über die Vorwürfe berichtet, die Söder bestreitet. Der bayerische Ministerpräsident stammt aus Nürnberg.

2. Deutsches Museum

Ebenfalls in Nürnberg eröffnet im Sommer 2021 auch eine Zweigstelle des Deutschen Museums (München), die Bayern mit mehreren Millionen Euro förderte. „Kritiker halten den Mietvertrag für überteuert, das Auswahlverfahren für intransparent“, schrieben NDR und WDR in einer im Januar veröffentlichten Recherche. Der Immobilienunternehmer, der den Zuschlag bekam, spendete der CSU danach 45.000 Euro. Er wies einen Zusammenhang zwischen Parteispende und Mietvertrag zurück. Die Partei teilte damals mit, Söder habe nicht von der Spende gewusst. 2019 spendete die Firma des Mannes erneut 45.000 Euro. Er ist mit einer CSU-Politikerin verheiratet, die Kulturreferentin der Stadt Nürnberg und Mitglied im CSU-Parteivorstand ist.

3. Umweltskandal

Kritik an Söders Zeit als Umweltminister gab es im Zusammenhang mit einem Trinkwasserskandal, der das Bundesland schon seit mehr eineinhalb Jahrzehnten beschäftigt. Es geht um einen Teil Bayerns, in dem das Wasser mit der als vermutlich krebserregend geltenden Perfluoroctansäure (PFOA) belastet ist. Das Transparenzportal abgeordnetenwatch.de berichtete 2018 über eine Landtagsdebatte zum Thema.

Es zitierte dabei in indirekter Rede einen SPD-Abgeordneten, der mit Blick auf Söders damaliges Amt (und die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage) sagte: „Der verantwortliche bayerische Umweltminister sei offensichtlich informiert gewesen, als im Landkreis Altötting genau das passierte, was mit einem Gift nicht passieren dürfe: Der Stoff sei bei der Produktion im dortigen Chemiepark zuerst ins Grundwasser und dann ins Trinkwasser gelangt.“ Es sei unfassbar, dass die zuständigen Behörden vor diesem Hintergrund nicht schon längst gehandelt hätten, wird der Abgeordnete weiter zitiert.

Vor der Landtagswahl 2018 warf die SPD Söder, inzwischen Ministerpräsident, dann vor, die Aufklärung des Skandals absichtlich zu verschleppen. Hintergrund war die damalige Auskunft des zuständigen Landratsamts, dass die Ergebnisse zu im Frühjahr abgegebenen Blutproben von Bewohner:innen erst nach der Wahl im Herbst vorliegen sollten.

4. GBW-Skandal

2011/2012 verkaufte Bayern die zur staatseigenen Landesbank (BayernLB) gehörende Gemeinnützige Bayrische Wohnungsgesellschaft (GBW) und damit rund 32.000 öffentliche Wohnungen. Offiziell begründet wurde die Aktion mit der „Rettung“ der von der Finanzkrise getroffenen BayernLB). Die Europäische Union bestritt später die Behauptung der CSU, dass der GWB-Verkauf Voraussetzung für eine entsprechende Hilfszahlung gewesen sei. Die Wohnungen bekamen jedenfalls eine Gruppe aus rund 30 Investor:innen rund um den Wohnungskonzern Patrizia aus Augsburg. Ein Teil von ihnen versteuerte seine GWB-Gewinne in Luxemburg und zahlte dadurch kaum Steuern.

Bayerische Kommunen, die ebenfalls Gebote abgegeben hatte, bekamen nichts. In der Folge wurden Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt und Mieten stark erhöht, was zu Problemen bei vielen Mieter:innen führte. 2018 gab es einen Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag. Die Opposition (SPD, Grüne, Freie Wähler) vertrat dort Auffassung, dass es möglich gewesen wäre, die Wohnungen an das Land selbst oder die Kommunen zu verkaufen. Eine Luxemburger Tochtergesellschaft der BayernLB, die in den sogenannten Panama Papers auftauchte (siehe Link), musste wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung übrigens mehr als 20 Millionen Euro zahlen.

5. „Propaganda-Soap“

Im Rahmen eines Gastauftritts in der Serie „Dahoam is dahoam“ des Bayerischen Rundfunks (BR) spielte Söder sich selbst und sprach darüber, wie toll seine Politik sei. Selbst der Intendant als oberster „Chef“ des BR kritisierte, dass es „eine umfassende Gelegenheit gab zu politischen Darstellungen.“ Der Bayerische Journalistenverband (BJV) teilte damals mit: „Einen offensichtlicheren Missbrauch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kann es gar nicht geben. Von einer Staatsferne ist der Bayerischem Rundfunk in diesem Fall offensichtlich weit entfernt.“

Söder war früher selbst Journalist beim BR. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier sprach von einer „Propaganda-Soap“ und wies darauf hin, dass Werbung politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art (…) nach dem Rundfunkstaatsvertrag unzulässig“ ist. Am Tag der Sendungsausstrahlung war Söder übrigens auch im BR-Magazin „Abendschau“ – zu einem mehr als nur unkritischen Interview.

6. Medienaffäre

Söder soll während seiner Zeit als Generalsekretär mehrfach versucht haben, die Berichterstattung des ZDF zu beeinflussen. „In leitenden ZDF-Kreisen wird Söder (…) als Beispiel für Einmischungsversuche seitens der Politik gesehen“, schrieb DER SPIEGEL 2012. Söder gelte dort als „besonderer Fall“. Er habe beispielsweise auch versucht, „auf die Gästelisten im Morgenmagazin und in politischen Talkshows wie Maybrit Illner Einfluss zu nehmen“. Bekannt wurden die Vorwürfe im Zuge der sogenannten CSU-Medienaffäre. 2012 kam heraus, dass sich der damalige Parteisprecher Hans Michael Strepp in die Arbeit des ZDF eingemischt hatte. Strepp hatte laut Sender bei der heute-Nachrichtenredaktion angerufen und versucht, einen Bericht über die Wahl des damaligen Münchner Oberbürgermeisters Christian Ude zum SPD-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2013 zu verhindern. Er trat daraufhin zurück.

Kritik gab es auch an Söders Sprecherin Ulrike Strauß (sie ist es heute immer noch). Der Bayerische Rundfunk (BR) nahm nach der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 einen Beitrag über Äußerungen von (Umweltminister) Söder zur Sicherheit eines bayerischen Atomkraftwerks aus dem Programm. Zuvor hatte Strauß beim zuständigen Redaktionsleiter zu Hause angerufen. Söder sagte, er habe nichts von dem Anruf gewusst. Der BR teilte damals mit, die Entscheidung sei unabhängig von diesem getroffen worden. Bei SPIEGEL ONLINE versuchte Strauß 2011 ebenfalls, Einfluss auf die Arbeit der Redaktion zu nehmen. Auch in diesem Fall ging es um Atomkraft. Der damalige parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann (†), sagte in dem Zusammenhang, die CSU müsse ihr „gestörtes Verhältnis zur Pressefreiheit grundsätzlich neu klären.“ Die Linke nannte die CSU eine „Bedrohung für die Pressefreiheit“.

7. Hygieneskandal

Während Söders Zeit als Gesundheitsminister wurde das Ministerium immer wieder über die kritischen Zustände in einer Großbäckerei informiert. „Ungeziefer und Dreck bei Müller-Brot führten zur Schließung des Betriebes“, meldete die Süddeutsche Zeitung damals. „Unter seiner Verantwortung als Fachminister hatte der Freistaat in der Verbraucherschutzministerkonferenz 2011 als einziges Bundesland gegen eine Veröffentlichung von Hygienekontrollergebnissen gestimmt“, schrieb die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch 2018 anlässlich eines ähnlichen Falls in einer bayerischen Tönnies-Wurstfabrik. „Markus Söders Blockadehaltung gegen ein Transparenzsystem ist mitverantwortlich dafür, dass Hygieneskandale in Bayern immer wieder vorkommen“, teilte Foodwatch weiter mit.

Um auch etwas Positives loszuwerden: Als Generalsekretär forderte Söder schon 2007, dass ab 2020 keine Autos mit Verbrennermotor mehr verkauft werden sollten. Immerhin! Wobei er sich in der gleichen Funktion auch für mehr Härte gegen und weniger Geld für Hartz-IV-Bezieher:innen aussprach. Und Urlaub sollten sie auch keinen machen dürfen. Söder selbst war während seiner Zeit als Finanzminister sehr beschäftigt: Er war parallel nicht nur Landtagsabgeordneter, sondern auch in 22 Gremien tätig – großteils „von Amts wegen“, wie er sagte.

Mehr über Söder gibt es übrigens in einer Biografie von Anna Clauß, die Bayern-Korrespondentin beim SPIEGEL ist.* Sie beschreibt (hier zum Beispiel im BR), wie Söder politische „Trends“ gewissermaßen riechen kann und entsprechend danach handelt. Deutlich wurde das etwa, als er sich nach der Kritik an seinen Positionen zum Thema Flüchtlinge („Asyltourismus“) und dem Erfolg eines Artenvielfalt-Volksbegehrens zum obersten Klimaschützer erklärte. Und sich entsprechend inszenierte. Manchmal gehen solche Inszenierungen wie im Fall des umstrittenen Kreuzerlasses zwar nach hinten los. Immer wieder hat er damit aber auch Erfolg.

Egal, ob mit seinen Faschingsverkleidungen oder seinen Superhelden-Tassen: Er weiß, wie er Journalist:innen dazu bekommt, über ihn zu berichten. Das zeigt hier auch der oben erwähnte Medienjournalist Stefan Niggemeier am Beispiel des Besuchs von Angela Merkel in Bayern 2020. Ich durfte ihn zusammen mit zwei Mitschüler:innen der Deutschen Journalistenschule im Rahmen einer Übung selbst einmal interviewen. Er weiß entsprechend zu kontern, wenn man nicht zu 100% gut vorbereitet ist. Söder ist ein Medienprofi, das muss man ihm lassen.

*Mehr Medientipps (Bücher, Dokus, Podcasts) zu aktuellen Themen und eine Übersicht über die wichtigsten Bundespolitik-Recherchen der Woche gibt es in meinem kostenlosen Newsletter.

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