10 Politiker:innen von CDU/CSU, die wegen mutmaßlicher Korruption Schlagzeilen mach(t)en

Polist
5 min readMar 6, 2021

Für alle Genannten, gegen die noch ermittelt wird, gilt die Unschuldsvermutung. Mit Korruption & anderen Bundespolitik-Themen beschäftige ich mich auch in meinem Newsletter, in dem ich 1x/Woche einen Überblick über große Recherchen aus den Medien gebe: getrevue.co/profile/enthuellt.

1. Georg Nüßlein, CSU + 2. Nikolas Löbel, CDU

Die beiden Bundestagsabgeordneten sollen Geld für die Vermittlung von Schutzmasken in der Corona-Pandemie bekommen haben – 660.000 Euro (Nüßlein) beziehungsweise 250.000 Euro (Löbel). Ende Februar 2021 wurde Nüßleins Immunität aufgehoben, diese schützt Abgeordnete vor Strafverfolgung. Ermittler:innen durchsuchten mehrere Räume in Deutschland und Liechtenstein, beispielsweise Nüßleins Büro im Bundestag in Berlin. Die Tagesschau zitierte den Staatsrechtler Markus Ogorek von der Universität Köln, wonach es Bundestagsabgeordneten nicht generell untersagt sei, in solchen Fällen Geld anzunehmen. Jedoch gelte das nur, „solange das Verhalten nicht auf die Förderung der eigenen, persönlichen Interessen abzielt“. Löbels Verhalten sei als Verstoß gegen die Verhaltensregeln für Mitglieder des Bundestages anzusehen, so Ogorek. Die Politiker weisen die Vorwürfe zurück.

In Bezug auf Medienberichte schrieb das Transparenzportal abgeordnetenwatch.de zudem, Nüßlein solle zum einen „einen Beamten im Gesundheitsministerium unter Druck gesetzt haben, Rechnungen von zwei Firmen in Millionenhöhe zu zahlen“. Zum anderen soll seine Firma eine Scheinrechnung ausgestellt haben, „um die Bestechung zu verschleiern“. Für die Seite ist der „Fall Nüßlein“ ein „Skandal mit Ansage“. Er offenbare „die Transparenz-Defizite in der deutschen Politik“ – die bestehenden Regelungen würden einige Schlupflöcher bieten, die Lobbyismus und Korruption begünstigen. Das kritisiert zum Beispiel auch LobbyControl schon lange, beide Initiativen halten darüber hinaus das von der Bundesregierung aktuell geplante „Lobbyregister“ für unzureichend. Abgeordnetenwatch verweist des Weiteren darauf, dass DER SPIEGEL im Zusammenhang mit den Maskengeschäften weitere Politiker:innen von CDU/CSU nennt – etwa Hans-Jürgen Irmer, der bereits 2020 Gegenstand einer Recherche war.

3. Axel Fischer, CDU

Ermittler:innen des Bundeskriminalamts (BKA) durchsuchten Anfang März 2021 Wohnräume und Büros, unter anderem das Abgeordnetenbüro des Baden-Württemberger Bundestagsabgeordneten. Zuvor wurde seine Immunität aufgehoben. Wie Karin Strenz und Eduard Lintner (siehe unten) soll er Geld bekommen haben, um die Politik im Sinne der Regierung Aserbaidschans zu beeinflussen. Den Ermittlungen gegen die drei Politiker:innen gingen Recherchen unter anderem der Süddeutschen Zeitung (SZ) voraus.

Demnach wird ihnen vorgeworfen, „zwischen 2008 und 2016 unter anderem Gelder aus Aserbaidschan über britische Briefkastengesellschaften mit baltischen Konten erhalten zu haben. Im Gegenzug sollen sie versucht haben, Kritik an Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan zu verhindern.“ Weiter schreibt die SZ: „Einige Abgeordnete des Europarats warfen Fischer – damals Leiter der deutschen Europaratsdelegation und Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europarat – vor, eine Untersuchung der Vorgänge zu blockieren.“ Fischer weist die Vorwürfe zurück.

4. Philipp Amthor, CDU

Der Bundestagsabgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern hatte sich beim Bundeswirtschaftsministerium für eine US-amerikanische Firma eingesetzt. Dafür bekam er sogenannte Aktienoptionen (Unternehmensbeteiligungen)im Wert von bis zu 250.000 Dollar. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin stellte 2020 ihr Verfahren wegen Bestechlichkeit und Bestechung von Amtsträgern ohne Ermittlungen ein. Es gebe keinen Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten, da vom Bundestagsmandat unabhängige Einnahmen grundsätzlich keine verbotenen „Zuwendungen“ seien.

Genau das steht seit Jahren in der Kritik, viele Abgeordnete verdienen im Rahmen von Nebenverdiensten Geld – zusätzlich zu den rund 10.000 Euro „Diät“ pro Monat. Amthor sagte, sein Vorgehen sei ein Fehler gewesen. Er sei nicht käuflich, habe sich aber „politisch angreifbar gemacht“ und die Aktienoptionen nicht eingelöst und inzwischen zurückgegeben. Abgeordnetenwatch meldete Anfang März 2021, die im vorliegenden Fall betroffene US-Firma – Augustus Intelligence – wolle mit rechtlichen Mitteln verhindern, dass es „eines der zentralen Dokumente aus der Amthor-Affäre“ bekommt.

5. + 6. Karin Strenz, CDU + Eduard Lintner, CSU

Transparency International Deutschland e.V. erstattete im März 2019 Strafanzeige gegen die aktuelle Bundestagsabgeordnete und den früheren Bundestagsabgeordneten wegen Bestechung und Bestechlichkeit von Mandatsträgern (nach §108e StGB). Beide sollen unter anderem Geld aus Aserbaidschan bekommen haben. „Damit sei nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft München die Aufforderung verbunden gewesen, bei Anträgen und Abstimmungen zu verschiedenen Resolutionen sowie bei der Besetzung von Funktionen und Kommissionen des Europarates Einfluss im Sinne von Delegierten des Staates Aserbaidschan genommen zu haben“, so die sich für Transparenz und gegen Korruption einsetzende Organisation.

Die Staatsanwaltschaft Rostock entschied sich 2019 gegen die Aufnahme von Ermittlungen, Im Januar 2020 wurde die Immunität von Karin Strenz aufgehoben. Anschließend durchsuchten Ermittler auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main unter anderem ihr Bundestagsbüro sowie ihre Privatwohnung. Strenz ist noch immer im Bundestag. Lintner, von dem ebenfalls Räume durchsucht wurden, war früher unter anderem Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Die Beschuldigten weisen die Vorwürfe, die hier näher erläutert werden, zurück. Die Ermittlungen laufen weiter.

7. Peter Bleser, CDU

2017 hob der Bundestag die Immunität des Abgeordneten aus Rheinland-Pfalz auf, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue und des Verstoßes gegen das Parteiengesetz ermittelte. Der Vorgang stand im Zusammenhang mit dem Vorgehen der Staatsanwaltschaft Koblenz wegen mutmaßlich illegaler Parteispenden an den rheinland-pfälzischen CDU-Kreisverband Cochem-Zell. Die Ermittlungen wurden 2020 ausgeweitet. „Die CDU Rheinland-Pfalz hatte 2017 eine Strafzahlung für die Annahme illegaler Spenden akzeptiert, die dem ehemaligen Geheimagenten Werner Mauss zugerechnet wurden“, berichtete DIE ZEIT im vergangenen Jahr.

Gegen Bleser bestehe der Verdacht, „zwischen 2004 und 2015 zunächst als Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Cochem-Zell und danach als Schatzmeister der CDU Rheinland-Pfalz sechs Spenden angenommen zu haben, die von Mauss gekommen seien sollen“, hieß es in Bezug auf Angaben der Staatsanwaltschaft von 2017. Bleser und Mauss kennen sich persönlich, hieß es; „die Anwaltskanzlei, die der offizielle Spendengeber war, soll die Zahlungen lediglich weitergeleitet haben“. Der Kreisverband. Cochem-Zell teilte laut des Berichts mit, er werde „nach wie vor alles unternehmen, um Transparenz zu schaffen.“ Bleser ist weiterhin im Bundestag, die Ermittlungen dauern an.

8. + 9. Wolfgang Schäuble + Brigitte Baumeister (beide CDU)

Gegen den früheren Parteivorsitzenden und die ehemalige CDU-Schatzmeisterin wurde 2000 wegen uneidlicher Falschaussage ermittelt. Hintergrund waren widersprüchliche Angaben von beiden in einem Untersuchungsausschuss des Bundestags zur sogenannten CDU-Spendenaffäre.

Diese umfasste sehr viele verschiedene Aspekte, dazu gehörte die Annahme der Spende eines Waffenhändlers. Die Ermittlungen wurden 2000 eingestellt, die taz lieferte damals eine Chronologie zu dem Skandal. Heute ist Schäuble, der auch Bundesfinanzminister war, Bundestagspräsident und damit zuständig für die Parteienfinanzierung.

10. Helmut Kohl, CDU

Der rheinland-pfälzische Politiker war von 1982 bis 1998 Bundeskanzler. Im Jahr 2000 nahm die Staatsanwaltschaft Bonn Ermittlungen gegen ihn wegen „des Verdachts der Untreue zum Nachteil der CDU-Bundespartei“ auf. Diese wurden 2001 gegen die Zahlung von 300.000 DM eingestellt. In dem Verfahren ging es um mehr als zwei Millionen Mark, „die Kohl nach eigenen Angaben von anonymen Spendern entgegen genommen hat, die aber im Rechenschaftsbericht der Partei nicht ordnungsgemäß verbucht wurden“, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) damals.

Im Zusammenhang mit der Geldbuße zitierte sie Kohls damaligen Anwalt mit den Worten: „Er tut dies nicht als Schuldeingeständnis, sondern um sich und seiner Familie mögliche langjährige Gerichtsverfahren zu ersparen.“ Dem aktuellen Stand der Recherchen zufolge gab es die „anonymen Spender“, denen Kohl laut einer berühmten Aussage damals sein „Ehrenwort“ gab, wohl nie. Das geht beispielsweise aus Stephan Lambys Dokumentarfilm „Bimbes – Die schwarzen Kassen des Helmut Kohl“ hervor. Zwei Podcasts (siehe unten) beschäftigten sich ebenfalls mit der Spendenaffäre.

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